Symbolkultur in der Herrenmode

Wie wird ein Anzug pfiffig? Pfiffig ist in der Herrenmode tabu, aber männlicher Schick wohltuend angenommen. Deshalb rät der Spezialist für Herrenmode Charles Austen: “Achten Sie auf Ihr Fenster”.
Das “Fenster” ist der Brustbereich des Anzugs. Hier regieren die Accessoires, hier ist die kreative Zone, hier kann dekoriert werden. Im Fenster lassen sich selbst graue Anzüge geradezu dramatisieren. Natürlich siegt die Verpackung nicht über den Inhalt, aber das Fenster erzeugt den ersten Eindruck, und für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Charles Austen: “Das richtige Fenster schafft es sogar, den Raum vor dem Träger zu betreten.”

Welche Accessoires sind erlaubt? Es gibt kein Modediktat, erlaubt ist alles, was nicht aufgesetzt wirkt mit Ausnahme von Clubabzeichen am Revers.

Krawatten. Dominierend im Fenster und ausgesprochenes Lustobjekt des stilbewußten Herrn ist die Krawatte. Sie ist der philosophische Teil der Männerkleidung, denn sie steht in Millionen Varianten zur Auswahl und wird nicht fertig geliefert, sondern durch die Bindekunst ihres Trägers erst erschaffen. Entsprechend persönlich ist ihr Ausdruck, man findet die Herzensbrecherkrawatte, die Faulenzerkrawatte, die Feinschmeckerkrawatte und so fort. Gekauft wird die Krawatte meistens von Damen. Es gibt Krawattentrends. Spätestens, wenn sie im Kaufhaus angekommen sind, ist Zurückhaltung empfohlen, denn 2005 gab es Fashion-Victims vom Fließband. Grellfarbig gestreifte Hemden mit Krawatte getragen und pastellige Hemd-Krawatte-Sets schlugen sich mit dem Gesicht des Trägers, Anzug, Blazer oder Sportsakko. Es gibt noch handgefertigte Krawatten, man erkennt sie an der Langnaht, die nur geheftet wird und vor dem Riegel ein Fingerbreit offen läßt. Ihr größter Vorzug ist, daß sie offen gereinigt werden kann. Wo endet die perfekte Krawatte? Die Krawattenspitze bedeckt 2/3 der Gütelbreite. Charles Austen liefert zwar Krawatten nach Mass, stattliche und kleine Herren, dicke und dünne Hälse können sich aber auch über die Wahl des richtigen Knotens retten.
Es gibt 180 Bindevarianten von der einfachen Schlinge im Four-in-One oder Halb-Windsor bis zu gordischen Knoten, die mit dem Schwert zu öffnen sind. Die Wahl des Knotens hängt in komplizierter Weise auch mit der Kragenform des Hemds zusammen. Es gibt Krawatten mit dünner flexibler Einlage und plastischen Verstärkungen, diese liefern einen mächtigeren Knoten machen unter diesem breiter auf und sind stabiler im Brustbereich.Überaus wichtig ist die kleine Falte unterhalb des Knotens, die man erreicht, wenn man beim Binden den Zeigefinger der linken Hand auf Höhe des Knotens plaziert. Die Breite der modischen Krawatte bleibt bei 9 bis 9,5 cm, vor dem Spitz gemessen. Zum Herbst empfehlen sich Regimentals, Fishbone, Grossgrain und Naturseide-Strukturen in natural-blumig zu gedeckten Anzügen und müden Farben holzig-erdig zu Sportjackets und Strick.
Als Grundregel gilt: Helle Farben lieben das Licht, man trägt also bunte Krawatten am Tage, gedeckte Farben und Muster am Abend. Zu Gesellschaftsanzügen gibt es klassische Vorschriften und Schleife und Halstuch sollten nicht vergessen werden, sie erweitern die stilistischen Möglichkeiten auf alle vier männlichen Moden, betont sportlich, lässig, elegant oder fein konservativ. Die Wirkung der Krawatte läßt sich noch steigern durch das materialgleiche Stecktuch und in gleicher Seide bezogene Manschettenknöpfe.
Hemden. Der Kragen ist dem Gesicht am Nächsten, bildet seine Unterstreichung. Es gibt ihn sachlich oder barock, streng oder spielerisch, strangulierend oder leger. Nichts lenkt den Blick des Betrachters so rasch auf sich, wie das offene “V” über dem Knopf des Sakkos. Die dekorative Basis des V ist das Hemd. Der Gentleman vermeidet es, hemdsärmelig aufzutreten, so verschwindet der größte Teil des Hemdes subkutan mit einer wichtigen Ausnahme, seine Manschette blitzt aus dem Ärmel des Jackets. Die Doppelfunktion, schmückendes modisches Accessoire und angenehme Körperwäsche zu sein erklärt die besonderen Ansprüche, die der kultivierte Herr an seine Hemden stellt. Nur hochentwickelte Gewebe kommen in Frage, Batist, Twill, Popeline, Oxford, Pinpoint, Fil-a-Fil, Chambray aus wiederum feinsten Garnen, bis zu 17-fach gezwirnt, 1 Kilometer davon wiegt gerade einmal 2 Gramm. Solche Baumwollgewebe haben Charakter oder schimmern edel und haben den Griff von Seide. Sie haben nichts anderes verdient als Maßarbeit.
Maßanfertigung ist bei Hemden kaum teuerer als hochwertige Konfektion und wird noch preiswerter, wenn man Ersatzkragen und Manschetten hinzubestellt. Beim Maßhemd wird ein Dutzend Kragenformen mit der übrigen Ausstattung kombiniert, so daß der Kunde aus etwa 800 Varianten wählen kann. Ein Maßhemd hat das perfekt anliegende Ärmelloch sowie die genau angepasste Manschette und Ärmellänge. Es schmiegt sich perfekt um Brust und Taille und wellt sich nicht auf den Schultern. Es schiebt nicht unter dem Jackett oder in der Hose und unterstützt damit den makellosen Sitz des Maßanzugs.
Wie immer liegt höchste Qualität in der Summe von Details. Der Kragen wird, wie auch der Ärmel, von Hand angesetzt. Die Einlage des Kragens ist ein ausgeklügeltes Sandwich, das den korrekten Sitz ermöglicht, ohne unbequem zu sein. Beim Übergang in die Manschette ist der Ärmel mehrfach gefältelt, damit der Schlitz nicht klafft, befindet sich oberhalb der Manschette ein kleiner Schließknopf. Knöpfe aus Perlmutt werden mit doppeltem Faden von Hand angenäht, Knopflöcher kommen mit Festonstich. Die beanspruchten Teile sind mit Kappnähten verbunden. Schick verrät, wer auch das Einstecktuch aus Hemdenstoff herstellen läßt und zudem Courtoisie, Mann trägt ja das Einstecktuch um es der Dame zu reichen.
Als Accessoire zur Oberbekleidung, muß das Hemd in Form, Muster und Farben zu dieser passen und nebenher dem Träger zu Gesicht stehen. So wird man einem stattlichen Herrn kaum einen Haifischkragen empfehlen, einer zierlichen Person, wird vielleicht zu weissen Kragen und Manschetten auf einem farbigen Hemd geraten. Hemden mit Button-down-Kragen gehören nur unters Sportsakko.
Grelle Hemden, Streifen und Karos erfordern Mut, sobald sie mit Krawatten kombiniert werden sollen. Charles Austen: “Manchmal wirkt aber gerade das unerwartete Hemd, ich habe schon Tattersall-Checks und Button-down-Kragen mit Flanellanzügen kombiniert.”

 

Über zwei Themen lässt der Spezialist für Manager-Mode aber nicht diskutieren: Zum Anzug gehört das Hemd mit Doppelmanschette. Nur diese füllt den Sakkoärmel und schafft dort einen eleganten Übertritt. Was die Farben angeht, ist es das weisse Hemd, am liebsten ohne aufgesetzte Knopfleiste, ohne Brusttasche und natürlich mit Umschlagmanschette. Zu offiziellen Anlässen gehört ein weisses Hemd, zu geschäftlichen Anlässen mit gleichem Recht. Weiß ist keine Farbe, sondern Licht, vermittelt Sauberkeit und Sorgfalt. Weiß ist keineswegs phantasielos, sieht man das Angebot der Nuancen von matt bis brilliant, flach, angestoßen und strukturiert das die Baumwollweber hervorbringen. Das weisse Hemd war, ist und bleibt verläßliche Mode für den Gentleman.


Die größte Bekleidungssünde?
Charles Austen meint, offene Hemden und T-Shirts zu Anzügen es sei denn, es ist heiß. Schwarze Hemden zu schwarzen Anzügen es sei denn, man trägt Trauer, ist Designer oder Werbekünstler.

Belcour Herrenstil & Omnia Heradik - Diffusion Charles Austen Paris. Belcour Herrenstil - zuletzt in Salzburg - wurde wegen Pensionierung des Geschäftsführers beendet. Charles Austen sucht einen Nachfolger, welcher das Konzept aufgreift.

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